Sonntag, 19. Juli 2015

Förderung des Kirchenaustritts


Der anonyme Author des Buches The Persecution of th Catholic Church in the Third Reich bemerkte, dass „die Geschichte der Kirchenaustrittskampagne eine der unangenehmsten der gesamten Kirchenverfolgung [ist], da sich der Nationalsozialismus vor allem hier bemühte, nie mit offenem Visier zu kämpfen“ (eigene Übersetzung). Die Parteispitze der NSDAP enthielt sich direkter Äußerungen in diese Richtung, die niederen Beamten und normale Parteimitglieder waren in dieser Hinsicht jedoch umso rühriger. (Bemerkung: die Austrittsbewegung erfasste sowohl die katholische als auch die evangelische Kirche).

Im Deutschen Reich bestand ein Gesetz (aus Weimarer Zeiten?), dass Kinder unter 12 Jahren ohne deren Zustimmung von den Eltern von der Kirchenmitgliedschaft „abgemeldet“ werden konnten. In Österreich gab es ein solches Gesetz vor dem Anschluss nicht, es wurde dann aber auch im Frühling 1939 auf die „Ostmark“ ausgeweitet.

Besonders mussten die Nazis die in Sachen Kirchenaustritt noch bestehende Hemmung bei der Bevölkerung abbauen. Dazu musste ein „Feigenblatt“ eingeführt werden, um den Glaubensabfall zu bedecken. Es wurde neben den anerkannten Bekenntnissen auch die offizielle Bezeichnung „gottgläubig“ eingeführt, wobei die kirchlichen Behörden korrekt feststellten, dass diejenigen, „die in den Standesregistern als ‚gottgläubig‘ geführt werden, Personen sind, die den Dreifaltigen Gott, den Erlöser Jesus Christus und das wahre Christentum leugnen“. Es wäre darum eine Glaubensverleugnung, sich als Katholik vor dem Staat als „gottgläubig“ zu bezeichnen.

Eine weitere Barriere, die von den Nazis abgebrochen wurde, war die öffentliche Verkündigung der Namen von Personen, die aus der Kirche austraten. Es wurde sogar schon als strafwürdiges Vergehen betrachtet, wenn ein Geistlicher lediglich eine private Mitteilung an die Angehörigen der ausgetretenen Person machte. Der St. Gabriel-Bote [?] ( „Messenger of St. Gabriel“ im Original) aus München wurde verwarnt, da er 1937 über dieses Thema schrieb und die Ausdrücke „Abfall“ und „Loyalitätsbruch gegenüber Christus“ („lapse“ und „disloyality to Christ“ im Original) verwendete, die als „Beleidigung“ für die Abgefallenen betrachtet wurden.

Zu den Mitteln, die die Nazis verwendeten, um den Austritt zu fördern, gehörten die folgenden Maßnahmen:

1. Öffentliche Verkündigung des Kirchenaustritts von führenden Parteimitgliedern (es scheint paradox, weil die Nazis dies ja dem Klerus verboten hatten): zu den bekanntesten gehören u. a. der damalige Botschafter in London, von Ribbentrop, Reichsleiter Martin Bormann sowie die Gauleiter Mutschmann (Sachsen), Röver (Oldenburg) und Robert Wagner (Baden). Besonders auffällig waren die Austritte im Jahr 1936 und im Frühling 1937.

2. Versprechungen, Ermunterungen und Drohungen: Am 7. Juni 1935 gingen im Reichsbahnaussbesserungswerk Freimann zwei Partei- und Arbeitsfront-Funktionäre mit der Parole herum „Wer nicht austritt, ist kein richtiger Nationalsozialist“. Die Austrittswilligen wurden dann unentgeltlich mit dem Betriebswagen zum Standesamt gefahren. In einem anderen Fall wurde einem arbeitslosen Künstler von einem Gewerkschaftsführer angeboten, er könne sofort anfangen, zu arbeiten, wenn er aus der katholischen Kirche austritt. Beim SS-Reserve-Sturm 2/25 wurde nachgefragt, ob und wann die Zugführer und Unterführer aus der Kirche ausgetreten sind bzw. bis wann eventuell damit zu rechnen sei.

3. Die allgemeine antikirchliche Propaganda im Dritten Reich.

Alles in allem war die Austrittswelle trotz der starken Bemühungen (SA- und SS-Leute klagten immer wieder in ihren Pfarreien, dass sie dem sehr starken indirekten Druck nicht mehr standhalten könnten) recht gering. So waren für die erste Hälfte 1938 für die gesamte Erzdiözese Köln 8.495 Austritte zu verzeichnen. Eine stärkere Austrittsbewegung war in Österreich losgetreten worden, wo in Wien in den sechs Wochen nach dem Anschluss 46.000 Personen aus der Kirche austraten, während in Graz, der „Stadt der Volkserhebung“ im Jahr 1938 16.000 von 153.000 Einwohnern die katholische Kirche verließen. In Wien war wohl die antikirchliche Propaganda unter Staatsangestellten wie Lehrern, Polizei und Beamten sehr groß, wodurch sich die allein 2.000 ausgetretenen Polizisten erklären. In Graz war die Agitation gegen den Glauben noch deutlich stärker als in Wien. Doch auch in Österreich blieben die Zahlen hinter den Anstrengungen der Nazis zurück.


(Quellen: Anonymous [wohl Msgr. Johann Neuhäusler]: The Persecution of the Catholic Church in the Third Reich, S. 226-233; Neuhäusler, Johann: Kreuz und Hakenkreuz, Verlag Katholische Kirche Bayerns, München, 1946, S. 284–286)