Erzabtei Sankt Ottilien (Rufus46) |
Nachfolgend die Schilderung einiger Einzelvorgänge:
Das Dominikanerkloster Retz (Erzbistum Wien) wurde am 12.09.1940 von einer fünfköpfigen Kommission unter Führung des Kreisleiters Schuster besichtigt, da man „die freien Räumlichkeiten“ sehen wollte. Nach der Besichtigung des gesamten Klosters verabschiedeten die Männer sich wieder, ohne einen Grund angegeben zu haben. Tags darauf wurde den Dominikanern durch die Gendarmarie mitgeteilt, das Kloster sei bis 18 Uhr zu räumen. Die Insassen sollten sehen, wo sie unterkommen könnten. Unter ihnen waren ein 82-jähriger und ein Mönch mit fortschreitender Tuberkulose. Das Haus wurde darauf umfangreichen Umbaumaßnahmen unterzogen.
Noch viel schlimmer kam es in anderen Klöstern, wo man sich direkt an heiligen Gefäßen, Messstipendien und anderem Kirchenvermögen „bediente“, so z. B. bei der Beschlagnahmung der Missionsklöster Sankt Ottilien, Schweiklberg und Münsterschwarzach. Hier wurde das gesamte Vermögen des Missionsvereins „Liebeswerk des hl. Benedikt“ eingezogen. Im Franziskanerkloster von Hall in Tirol sowie im Kapuzinerkloster von Innsbruck wurden Messstipendiengelder geraubt.
Als der Benediktinerstift St. Gallus in Bregenz (in Schweizer Besitz) am 2. Januar 1941 beschlagnahmt wurde, zog man das gesamte Kirchengerät, Paramente, geweihte Gefäße, Kelche sowie Monstranzen ein. Ein mit konsekrierten Hostien gefülltes Ziborium musste in eine andere Kirche getragen, dort entleert und anschließend an die sakrilegische Staatsmacht übergeben werden. Ein Grund für die Beschlagnahmung des Klosters wurde nicht gegeben.
Neben der bei Jesuitenklöstern sehr häufigen Begründung „Staatsfeindlichkeit“ (was auch immer darunter zu verstehen ist) gab es auch skurrilere Angaben als Grund für Klosterbeschlagnahmungen, wie etwa „Wir brauchen ein Altersheim“ für das Redemptoristenkloster Aachen, „Haus steht im Wege“ beim Kapuzinerkloster in Bludenz, oder aber „Schlachtverfehlung“ bzw. „Lebensmittelverfehlung“ bei verschiedenen anderen Klöstern. Bei der Erzabtei Sankt Ottilien war anscheinend das „Liebeswerk des hl. Benedikt“, ein Missionsverein, der 50 Jahre lang als eingetragener Verein bestanden hatte, einer der Konfiszierungsgründe: „Das Kloster hat große Summen dem Nationalvermögen entzogen und für eigene Zwecke verwendet, was bei der Konzentration aller Kräfte der Nation heute nicht mehr geduldet werden kann.“
Besonders auch die „angeschlossenen“ westlichen Reichsgebiete Luxemburg und Elsass erlebten einen wahren Klostersturm. So schreibt Bischof Bornewasser von Trier in einer eine Protestnote an das Reichsinnenministerium vom 20. Mai 1941: „In Luxemburg wurde sämtliche Priesterorden aufgehoben und des Landes verwiesen. (…) Von den weiblichen Ordensgenossenschaften wurden alle Klöster, die das beschauliche Leben pflegen, aufgehoben.“
Die Ausweisung der Luxemburger Schwestern, die in die benachbarte Diözese Trier verbracht wurden, erregte unter den dortigen Katholiken großes Aufsehen: die Frage „Was geht in Luxemburg vor?“ kursierte unter den Leuten.
Anscheinend sollte solches Aufsehen in Zukunft vermieden werden, da die Klosteraufhebungen im Elsass im Jahre 1943 detaillierter geplant wurden. So hieß es in einem Schreiben des „Stillhaltekommissars für das Organisationswesen im Elsass“ mit dem Betreff „Aktion des Stillhaltekommissars gegen Klöster und Kongregationen im Elsass“: „Sonntag, den 11. Juli, werden 23 Klöster im Elsass (beschauliche Orden) vom SD besetzt. der SD sorgt dafür, dass die Insassen der Klöster die Bevölkerung nicht aufwiegeln können und dass am Montag gleich nach Sonnenaufgang per Omnibus die in Frage kommenden Ordensleute an weit entfernte Bahnhöfe mit Schnellzugsverbindungen verbracht werden.“ Auch sollten bereits „in Klosteraktionen bewanderte“ Gaurevisoren an der Aktion teilnehmen da die Aktion „gegen die Klöster sonst eine blamable Angelegenheit werden muss“. Diese Revisoren hatten die Aufgabe, die Bargeld-, Wertpapier- und Viehbestände zu erfassen und erstere unter „behördlichen Verschluss“ zu bringen. Als Grund für die Erfassung wird angegeben, dass die Ordensleute in Lothringen und Luxemburg im Rahmen der Auflösung Vieh, landwirtschaftliches Gerät und Vorräte an die Bevölkerung verschenkt hatten. Als treibende Kraft hinter der Klosteraufhebung wird Martin Bormann genannt, durch den der Befehl zur Auflösung „zur vordringlichen Durchführung gegeben worden“ war.
Doch sollte dieser „streng geheime Plan“ durch einen Informanten vereitelt werden, der ihn bei den kirchlichen Behörden zur Anzeige brachte. Der Erzbischof von Freiburg schickte darauf an ein Dutzend Reichsorgane Telegramme, in denen er mitteilte, dass er genaue Kenntnis über die geplanten Auflösungen hatte. Noch Wochen wurde Spitzel durch das Elsass und Baden geschickt, um die für den Verrat verantwortlichen Personen zu fassen.
(Quelle: Neuhäusler, Johann: Kreuz und Hakenkreuz, Verlag
Katholische Kirche Bayerns, München, 1946, S. 148–159)