In der Kartause Farneta in Lucca
(Italien) fanden im August 1944 über 100 Flüchtlinge Schutz vor der 16. SS-Panzergrenadier-Division
„Reichsführer SS“. Unter den Menschen befanden sich sowohl Juden als auch
Italiener. Der Prior P. Martino Binz hatte zusammen mit dem Prokurator P.
Gabriele Costa und dem Novizenmeister P. Pio Egger entschieden, das Kloster für
die Flüchtlinge zu öffnen – entgegen der eigentlichen Kartäuserregel, die keine
„Besucher“ vorsieht. Ausschlaggebend für den Schritt war die Erwägung „Was
würden wir tun, wenn Jesus selbst vor der Tür stünde? Würden wir den Mut haben,
Ihn in den Tod zu schicken?“.
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P. Gabriele Costa OCart |
Als die Mönche sich am Abend des
1. September in der Kapelle beim Chorgebet befanden, wurden sie von der SS
überrascht. Es gelang den Nazis durch einen Trick, sich Zugang zum Kloster zu
verschaffen. Der Soldat Eduard Florin, der bereits früher zu den Mönchen
Kontakt gehabt hatte und vorgab, ein frommer Katholik zu sein, stand vor der
Klosterpforte und behauptete, er wolle dem Prior ein Paket von seinem Kommandanten
abgeben, da die Division sich auf dem Rückzug aus Lucca befände. Als die Tür
geöffnet wurde, stürmten 20 deutsche Soldaten herein und besetzten das Kloster.
Einigen der Aufgenommenen gelang die Flucht, während viele an die Klostermauern
gestellt und erschossen wurden.
Nun mussten die Gefangenen, Mönche
und Zivilisten, in LKW steigen und wurden zu einer leeren Lagerhalle in Nocchi
bei Camaiore gefahren. Ein Überlebender, Vicenzo Rizzo, damals 18 Jahre alt,
berichtete von den Folterungen, denen die Mönche unterzogen wurden. Die Nazis
verspotteten die Ordensleute wegen ihres Glaubens. Pater Gabriele wurde mehrmals eine
Flamme unter den Bart gehalten, doch der Mönch blickte seinen Folterer nur
still an und dieser gab schließlich angesichts einer so unerwarteten Reaktion
auf.
Dom Giovanni Abetini musste sein
Brevier auf einem Brett zwischen seinen Armen balancieren, während er
Stockschläge erhielt. Fiel das Buch herunter, musste er Faustschläge und
Beleidigungen über sich ergehen lassen. Das Ganze ertrug Dom Giovanni mit einem Lächeln auf den
Lippen.
Der Novizenmeister, P. Pio Egger,
ermutigte die Gefangenen und sprach ihnen von dem Reich, das der König der
Märtyrer seinen Getreuen bereitet hat. Genau wie der Pater Prior und der Pater
Prokurator wurde er im Wald bei Nocchi erschossen.
Einer der zwölf ermordeten Kartäuser
war vor seinem Eintritt eine hohe kirchliche Persönlichkeit. Es handelt sich um Msgr. Salvador
Montes de Oca, im Orden Pater Bernardo, emeritierter Bischof von Valencia in Venezuela,
der als Bischof mutig der Staatsregierung in Sachen Ehescheidung widerstanden
hatte. Er wurde im Jahr 1929 aus seinem Heimatland verbannt und war zur Zeit
seines Todes Novize. Zusammen mit P. Martino Binz wurde er als erstes
erschossen (7. September).
Unter den Ermordeten befanden sich
sechs Priester, sechs Brüder und 48 Zivilisten. Obwohl die Mönche nach der
Erschießung verscharrt wurden, konnten ihre Leichen geborgen und auf dem
Klosterfriedhof bestattet werden. Für P. Bernardo (Msgr. Montes de Oca) wird
von seiner Heimatdiözese der Seligsprechungsprozess angestrebt. Weitere
Prozesse sind nicht bekannt, da der Kartäuserorden traditionell nicht die
Heiligsprechung seiner Mitglieder anstrebt.
Der ehemalige SS-Mann Eduard Florin
starb während des Prozesses, der im September 2004 in La Spezia wegen des
Massakers gehalten wurde, in Deutschland im Alter von 94 Jahren.
Die Interviews, die die Amerikaner mit den überlebenden Mönchen geführt haben, können hier gelesen werden. Laut Dom Giovanni Abetini sagte einer der Soldaten, es wäre nicht das erste Mal für ihn, einen Geistlichen zu töten.