Montag, 8. August 2016

Eine problematische Verallgemeinerung: Taufregisterauszüge und Judenverfolgung

(Quelle: Agibaer)

Der Holocaustforscher und Rabbiner Michael Berenbaum, der in der Vergangenheit bedeutende Positionen im United States Holocaust Memorial Museum (USHMM) inne hatte, bezeichnet das Dritte Reich in seinem Buch „The World Must Know“ als „genocidal state“, als völkermörderischen Staat. Als einen der Gründe dafür gibt er an, dass „Pfarrkirchen“ die Taufregister von Juden bereitgestellt haben:

„Every arm of the country's sophisticated bureaucracy was involved in the killing process. Parish churches and the Interior Ministry supplied birth records showing who was Jewish; (…)“

Leider ist dieses Zitat in der Form, in der es in dem bereits erwähnten Wikipedia-Artikel angegeben wird, sehr geeignet, die katholische Kirche in ein schlechtes Licht zu rücken, da keine Konfession angegeben wird. Andere Autoren haben dieses Zitat ohne weitere Differenzierung „recycelt“. Man kann sich ja denken, was die meisten Menschen unter einer „Pfarrkirche“ verstehen.

In einem weiteren Buch unter dem Titel „The Holocaust and History: The Known, the Unknown, the Disputed, and the Reexamined geht Berenbaum deutlicher darauf ein, um was für „Pfarrkirchen“ es sich handelt: Er nennt auf S. 126 nur die „protestantische Kirche“ in Berlin.

Dem sei nun der Widerstand der katholischen Kirche gegen derartige Nachforschungen zur ethnischen Herkunft ihrer Mitglieder gegenübergestellt. Msgr. Neuhäusler schreibt in „Kreuz und Hakenkreuz“:

„Ganz besonders verhasst war den Nationalsozialisten die Taufe von Juden. Des Öfteren wurden von den bischöflichen Ordinariaten Statistiken über Judentaufen, ja sogar Bekanntgabe der Namen solcher Täuflinge verlangt, eine Forderung, die freilich immer zurückgewiesen wurde.“

Er schildert dann einen Fall, in dem die Berliner Polizei sich Zugang zu zwei derartigen Taufscheinen der Pfarrkirche St. Matthias verschafft hatte, die dann an den „Stürmer“ weitergeleitet wurde. Die Zeitung versuchte daraufhin mit Anprangerung und Drohung weitere Judentaufen zu verhindern. Weder der Pfarrer noch die bischöfliche Behörde erhielten eine Antwort auf die Frage, wie die Polizei an diese Dokumente gegenkommen war.

Die Ansprache des Pfarrers bei der hl. Messe am 15. März 1936 zu dem Fall ist ein schönes Beispiel katholischen Bekennermuts:

„Euer Pfarrer ist nicht willens, sich seine tägliche Tätigkeit vom ‚Stürmer‘ diktieren zu lassen, sondern von seinem eigenen Gewissen. Und dem Gewissen folgend, wird er nicht zögern, Ungläubige jeglicher Rasse in die Kirche aufzunehmen, die Christus für alle Menschen gegründet hat, solange als er [der Pfarrer] auf der anderen Seite nicht unehrliche Absichten befürchten muss.“

(Quellen: Neuhäusler, Johann: Kreuz und Hakenkreuz, Verlag Katholische Kirche Bayerns, München, 1946, S. 76)